oder: warum Segelfliegen das geilste Hobby der Welt ist…..
Corona-Pandemie. Kontakteinschränkungen. Das öffentliche Leben wird runtergefahren. Auch das sportliche Leben. Normalerweise hätte unsere neue Segelflugsaison schon längst begonnen. Die Tage sind länger geworden, die ersten tollen Tage zum Segelfliegen verstrichen, jeder Blick an den Himmel schmerzt irgendwie. Wir dürfen nicht fliegen.
Dann die behördliche Bestätigung: unter strikten Abstands- und Hygieneregeln dürfen wir ab dem 09.05.2020 wieder mit dem Flugbetrieb beginnen. Was wir zum Flugbetrieb benötigen wird schon am Freitagnachmittag von einigen Clubmitgliedern vorbereitet, so dass es am Samstag früh losgehen kann. Das an sich ist schon mal ein großartiges Gefühl. Samstag dann die nach der Winterpause notwendigen Überprüfungsstarts mit einem Fluglehrer. Es fühlt sich an, wie bei jedem Saisonstart. Fast zumindest. Die Freunde dürfen nur aus der Entfernung begrüßt werden, Abstandhalten ist angesagt. Die Bedienelemente im Flugzeug werden immer wieder desinfiziert und das Fliegen im Doppelsitzer findet mit Mund- und Nasenschutz statt. Wir stören uns nicht daran und lachen über die neue Bekleidungsart. Alles nicht schlimm, denn: ich fliege wieder.
Es ist warm und es macht mir nicht den Eindruck, als sollte dieser Tag thermisch besonders ergiebig werden. Außerdem muss ich mich heute schon am späten Nachmittag auf den Weg nach Hause machen. Kurze Überlegung: lohnt es sich, mein Flugzeug zum Start zu ziehen und vielleicht ein oder zwei Stunden „im Blauen“ zu paddeln? Nach so langer Flugabstinenz ist die Überlegung schnell gefasst. Die „DG 808“ wird zum Start gezogen, ausführlich gecheckt und dann kann es mit Hilfe des eingebauten Triebwerks auch direkt losgehen. Der erste Aufwind direkt am Flugplatz zusammen mit Henrik und seiner „DG 505“ ist noch etwas mühsam, aber ich bin in der Luft und glücklich.
Und dann passiert das, was unseren Sport immer wieder so abwechslungsreich macht, da jeder Flug im dreidimensionalen Raum einzigartig ist und viele Wetterlage immer wieder Überraschungen bereithalten. Im Norden, weit im Norden, entdecke ich schöne Cumuluswolken. Also erst mal vorsichtig Richtung Norden gleiten und siehe da, auch unterwegs „im Blauen“ stehen sehr brauchbare Aufwinde. Das Triebwerk im Rücken gibt eine gewisse Sicherheit, falls es doch nicht so gehen sollte, wie erhofft. Nach 40 Km erreiche ich die ersten Wolkenfetzen und die Aufwinde werden besser und können somit gezielt angeflogen werden. Die Steigwerte verbessern sich auf dem Weg weiter nach Norden von Wolke zu Wolke. Die Basis steigt auf 1.700 Meter an. Nördlich von Stendal dann wieder ein großes „blaues Loch“, die nächsten Wolken scheinen erst bei Wittenberge zu stehen, aber sie sehen fantastisch aus. Also, Wölbklappe nach vorne und ab geht`s. Segelfliegen ist einfach geil….
„Wie im Flug“ geht es unter den Wolken Richtung Parchim bis hinter die A24. Mit einem Blick auf die Uhr und der notwenigen frühen Abreise vom Flugplatz drehe ich nach 150 Km in ca. 80 min um und fliege wieder Richtung Süden. Die Steigwerte sind oft jenseits der 3 m/s, die beste Anzeige auf dem Integrator zeigt 5,6 m/s an. Wahnsinn!
Und das nach der geringen Erwartungshaltung, die ich von diesem Flug hatte. Ich sitze im Cockpit, schieße mit 200 Km/h zur nächsten Wolke und platze fast vor Glück. Hatte ich schon erwähnt, dass Segelfliegen einfach geil ist? Der Rückflug ist schnell und problemlos, bei Stendal lege ich unter einer kleinen Wolkenaufreihung noch einen kurzen Abstecher nach Wesen ein bevor es wieder nach Schönebeck zurück „geht“. Den Endanflug gestalte ich dann nicht geschwindigkeits- sondern genussorientiert. Der Blick aus dem Cockpit auf die Landschaft, insbesondere die gelben Rapsfelder, ist immer wieder glückshormonfüllend. Nach etwas über drei Stunden (viel zu kurz, dieser blöde Termin am Abend!) und knapp 350 Km Flugstrecke lande ich überglücklich wieder auf unserem tollen Flugplatz. Kurz noch ein wehmütiger Blick zu den Wolken im Norden, dann schnell das Flugzeug gewaschen und im Anhänger verstaut, dann muss ich leider schon weg. Glücklich sitze ich im Auto und denke mir, Segelfliegen ist doch das geilste Hobby der Welt. Einen ganz herzlichen Dank an alle Vereinsmitglieder, die den Flugbetrieb organisiert und sich um die Winde gekümmert haben, die neue Seile bekommen musste. Endlich können wir unser Hobby wieder ausüben und genießen.